Kreuzbandriss
Ruptur der Kreuzbänder
Die Kreuzbänder verlaufen zwischen dem Femur (Oberschenkelknochen) und der Tibia (Schienbein). Neben weiteren Bändern, Sehnen und den Menisken stabilisieren sie das Kniegelenk und halten es in Position. Bei einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes kommt es zu einer starken Instabilität des Kniegelenks und Schmerzen sowie nachfolgend zur Arthrose.
Anders als beim Menschen ist der vordere Kreuzbandriss beim Hund in der Regel nicht traumatisch bedingt, sondern stellt einen degenerativen Prozess dar. Das bedeutet, dass das Band nicht wie oft angenommen durch ein plötzliches starkes Trauma reißt, sondern teilweise über Jahre immer mehr Fasern reißen bis schließlich das komplette Band durchgerissen ist.
Die Gründe für die Degeneration der Kreuzbandfasern sind bislang nicht abschließend geklärt. Man weiß jedoch, dass viele Faktoren einen Einfluss haben. Genetische Prädisposition (Veranlagung) spielt hierbei die größte Rolle, aber auch Übergewicht und hormonelle Imbalancen haben einen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung. Und obwohl es sich um eine degenerative Erkrankung handelt, können bereits junge Hunde davon betroffen sein.
Das Kreuzband besteht aus sehr vielen einzelnen straffen Fasern, welche nach und nach ihre Zugfestigkeit verlieren und reißen. Das Kniegelenk wird durch diese kleinen Risse immer instabiler und durch den fortwährenden Entzündungsprozess im Gelenk kommt es bereits jetzt zu einer beginnenden Arthrose. Ab einem bestimmten Punkt verliert das Kreuzband dann seine mechanische Funktion und das Kniegelenk ist instabil.
Um einen Anriss oder eine Ruptur des vorderen Kreuzbands zu diagnostizieren, wird zunächst eine klinische Lahmheitsuntersuchung durchgeführt. Unter anderem werden mithilfe spezifischer Tests die Stabilität und die Schmerzhaftigkeit des Kniegelenks geprüft. Die Diagnosesicherung erfolgt mit Hilfe von Röntgenbildern und einer Arthroskopie.
Die Besonderheit im Kniegelenk – die Menisken
In jedem Kniegelenk befindet sich ein medialer (innerer) und ein lateraler (äußerer) Meniskus. Die Menisken sind halbmondförmige Faserknorpelscheiben, die viele wichtige biomechanische Funktionen erfüllen. Sie liegen zwischen den konvexen Femurkondylen und dem nahezu ebenen Tibiaplateau, verbessern die Kongruenz der Gelenkflächen und vergrößern somit die Fläche der Lastverteilung. Beide Menisken tragen zur Kraftübertragung sowie auch zur Stoßdämpfung und Stabilität bei, unterstützen die Propriozeption, koordinieren die Muskelkontraktion und reduzieren die mechanischen Belastungen im Gelenk. Zudem wirken sie als primäre passive Einschränkung der kranialen tibialen Translation.
Beiden Menisken haben einen dreieckigen Querschnitt mit einem dickeren abaxialen (äußeren) Rand, der zu einem dünnen, fast durchscheinenden, axialen (inneren) Rand spitz zuläuft.
Der mediale Meniskus ist durch seine Befestigung am hinteren Horn der Tibia, der Gelenkkapsel und dem medialen Kollateralband stärker an der Tibia befestigt als der beweglichere laterale Meniskus. Hierdurch wird er gezwungen, sich mit der Tibia in Bezug auf den Femur nach kranial (vorn) und kaudal (hinten) zu bewegen. Da sich bei einem Kreuzband(an)riss die Tibia vermehrt nach kranial schiebt, wird das kaudale Horn des medialen Meniskus gegen den medialen Femurkondylus gequetscht. Durch diese Translation der Tibia ist der kaudale Pol die häufigste Stelle für Mensikusverletzungen. Je länger ein Knie instabil ist, desto wahrscheinlicher ist somit auch das Auftreten einer Meniskopathie. Die Verletzung des Innenmeniskus kann zu anhaltender Lahmheit beitragen und sowohl das langfristige Ergebnis als auch die Genesung von Hunden mit Verletzungen des kranialen Kreuzbands beeinträchtigen.
Im Falle einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes dienen der Innen- und Außenmeniskus als zusätzliche sekundäre Stabilisatoren. Die Voraussetzung für eine physiologische tibiofemorale Lastübertragung und -verteilung durch die Menisken ist jedoch ein intaktes Ringsystem. Dieses wird durch die Verbindung der Menisken mit ihren dazugehörigen Meniskusbändern gebildet und kann eine pathologische Meniskusextrusion verhindern.
Wird der Meniskus jedoch durchgeschnitten oder teilentfernt, ist das Ringsystem komplett unterbrochen. Ein signifikanter Unterschied zwischen Patienten mit Meniskusrelease und Teilmeniskektomie besteht hierbei nicht.
Die genaue Identifizierung und adäquate Therapie einer Meniskuspathologie ist daher von größter Bedeutung. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Menisken, wenn möglich, auf jeden Fall erhalten bleiben sollten.
Die Versorgung des Kreuzbandrisses
Um die intraartikulären Strukturen optimal zu beurteilen, führen wir vor der chirurgischen Versorgung eines Kreuzbandrisses eine Arthroskopie durch. Wir achten dabei besonders auf Auffaserung/Fibrillationen der Kreuzbänder, den Zustand des Gelenkknorpels und der Menisken und auch darauf, wie stark das Gelenk entzündet ist. In diesem Arbeitsschritt kann ein eventuell beschädigter Meniskus kann direkt therapiert werden. Der große Vorteil der Arthroskopie liegt darin, dass man das Gelenk nicht wie früher durch einen größeren Schnitt komplett eröffnen muss, um die inneren Gelenkanteile zu sehen. Durch dieses geringere Trauma wird auch nachweislich die Entstehung der Arthrose minimiert.
Möglichkeiten der Versorgung
Die Versorgung einer Kreuzbanderkrankung sollte so früh wie möglich erfolgen, denn so können sekundäre Schädigungen von Meniskus und Knorpel minimiert werden. Bei der Versorgung eines Kreuzbandrisses/ -anrisses bestehen mehrere Möglichkeiten.
Da eine konservative (nicht-chirurgische) Therapie die Instabilität nicht ausreichend behebt, bleibt sie in den meisten Fällen erfolglos und die so behandelten Hunde können nicht zu ihrem ursprünglichen Aktivitätslevel zurückkehren. Die effektivere Therapie besteht daher in der chirurgischen Versorgung des rupturierten (gerissenen) Kreuzbands.
Hierbei unterscheidet man Rekonstruktionstechniken (intrakapsulär oder extrakapsulär) von dynamischen Umstellungsosteotomien.
- Bei den Rekonstruktionstechniken wird mit körpereigenem Gewebe oder synthetischen Bändern versucht die Funktion des Kreuzbands zu imitieren. Dies findet entweder innerhalb oder außerhalb des Gelenks statt. Leider sind diese Techniken meist sehr invasiv und infektionsanfällig. Außerdem neigen Bandersatztechniken dazu, sich schon kurz nach der OP zu lockern und der Belastung in der Bewegung nicht mehr standzuhalten.
- Die dynamischen Umstellungsosteotomien verändern die Biomechanik des Kniegelenks und machen das vordere Kreuzband dadurch überflüssig. Auch hier gibt es verschiedene Operationstechniken.
In den meisten Fällen führen wir die TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy) durch. Hierbei wird der Unterschenkelknochen halbkreisförmig durchgesägt und um einen bestimmten Drehpunkt in einem zuvor berechneten Winkel geschwenkt. Hierdurch werden die im Gelenk wirkenden Scherkräfte weitestgehend neutralisiert. Im Anschluss wird der Knochen mit einer Platte und Schrauben fixiert. Obwohl bei dieser Methode der Knochen durchgesägt werden muss, ist sie ist nach der derzeitigem Stand der Wissenschaft die schonendste Methode mit der langfristig besten Prognose.
Trotz der verschiedenen Operationstechniken muss einem bewusst sein, dass die Osteoarthrose ein voranschreitender Prozess ist, welcher durch eine OP lediglich verlangsamt werden kann. Um so wichtiger ist nach der OP ein adäquates Bewegungsmanagement, begleitende Physiotherapie und gelenkunterstützende Maßnahmen.